«Zigeuner-Boxer» basiert auf der Lebensgeschichte von Johann Wilhelm »Rukeli« Trollmann (1907–1944), im Stück Ruki genannt. Der begnadete Boxer zeichnete sich durch einen für die damalige Zeit ungewöhnlich eleganten Kampfstil aus, avancierte in den 1920er-Jahren zum Publikumsliebling und war um 1930 einer der besten Boxer in Deutschland. Als Sinto wurde er jedoch mehr und mehr aus dem Boxsport verdrängt: Für die Olympischen Spiele 1928 wurde er nicht nominiert, die Deutsche Meisterschaft im Halbschwergewicht, die er 1933 gewann, wurde ihm nachträglich aberkannt – wegen »undeutschen Boxens«. Mit einem unvergleichlich couragierten Coup setzte er sich beim nächsten Kampf gegen die Diskriminierung zu Wehr … Trollmanns Boxkarriere war damit beendet, es folgten Arbeitslager, Untertauchen, Wehrmacht und schließlich Konzentrationslager, wo er 1944 ermordet wurde.
Rike Reinigers Stück «Zigeuner-Boxer» wurde 2011 beim Heidelberger Stückemarkt mit dem Preis des Freundeskreises ausgezeichnet. In ihrem dichten Monologtext erzählt Reiniger von Freundschaft in schwierigen Zeiten, von Mut und Feigheit. Sie gibt das Wort einem Gequälten, der vergessen will, und sich doch erinnern muss.
Hans, der Erzähler, ist Rukis Freund. Die beiden verbindet viel: Sie wachsen im Armenviertel auf, wo alle Kinder gleich aussehen, »mager, dreckig, struppige Haare, schlechte Zähne und geflickte Hosen von den älteren Geschwistern«. Zusammen trainieren sie im Boxclub, im Gelben Kakadu tanzen sie zur neuen Jazzmusik aus Amerika, sie lieben das Feiern und die Frauen, sie genießen das Leben. Und doch trennt sie auch etwas – das, was die Leute meinen, »wenn sie ›Zigeuner‹ sagen«. Hans und Ruki verlieren sich aus den Augen. Als sie sich wieder begegnen, sind beide Häftlinge im Konzentrationslager. Dort geht ihre gemeinsame Geschichte bei einem letzten Boxkampf zu Ende.