Wie in mehreren seiner Erzählungen und Theaterstücke stellt Ödön von Horváth auch in seinen Geschichten aus dem Wiener Wald eine junge Frau, Marianne, ins Zentrum der Handlung. Das Stück spielt zur Zeit der Weltwirtschaftskrise Ende der 1920er-Jahre –Arbeitslosigkeit, Abstiegsängste, Inflation, Kriegsgefahr und der heraufdämmernde Faschismus. »… diese heutige Zeit ist eine verkehrte Welt! Alles wackelt, nichts steht mehr fest.«, lässt Horvath den Spielwarenhändler Leopold, genannt der ›Zauberkönig‹, sagen. Und das Politische spiegelt sich im Privaten wider. Jeder muss schauen, wo er bleibt, und so prägen Eigennutz und Rücksichtslosigkeit alle Beziehungen – die zwischen Nachbarn, zwischen Freunden und in den Familien. Freilich immer sorgsam verborgen hinter der lächelnden Maske von Anteilnahme und Fürsorge. Selbst die Liebe kreist immer auch um den wirtschaftlichen Nutzen einer Verbindung. » … eine rein menschliche Beziehung wird erst dann echt, wenn man was voneinander hat«, erklärt der Strizzi Alfred.
Marianne ist vordergründig der Typ »süßes Mädel«. Aber eben nur vordergründig. Sie will ausbrechen aus den engen Verhältnissen der »stillen Straße«. Rhythmische Gymnastik wollte sie studieren und ein Institut gründen. Doch ihr Vater nutzt sie als Dienstbotin aus und will sie mit dem Metzger Oskar verheiraten. Das sei was »Solides«. So sucht Mariannes Drang nach Freiheit und Unabhängigkeit einen anderen Ausweg, den sie in Alfred zu finden glaubt und in einer von wirtschaftlichen Zwängen befreiten sentimentalen Liebe.
Die beiden bekommen ein Kind und leben in prekären Verhältnissen. Um ihren Lebensunterhalt zu verdienen, wird Marianne doch noch ›berufstätig‹. Sie tritt im Varieté auf und soll sich prostituieren. »Du hast mich ja nichts lernen lassen … du hast mich nur für die Ehe erzogen.«, rechtfertigt sie sich vor ihrem Vater.
Marianne: Lieber Gott, ich bin im achten Bezirk geboren und hab die Bürgerschul besucht, ich bin kein schlechter Mensch – hörst du mich? – Was hast du mit mir vor, lieber Gott? – Stille.
Am Ende muss sie doch noch die Zwangsehe mit Oskar eingehen. Der nimmt sie mit unverhohlenem Triumph zurück, nachdem er mit Alfred über sie verhandelt hat, als wäre sie ein Stück Vieh. Was ihr nun blüht lässt sich denken, denn – so der Grundtenor der patriarchalen Spießbürgerlichkeit: »Die Weiber haben keine Seele, das ist nur äußerliches Fleisch! Und man soll so ein Weib auch nicht schonend behandeln …«
In Geschichten aus dem Wiener Wald erzählt Horváth die Geschichte einer gescheiterten Emanzipation vor dem Hintergrund einer gesellschaftlich-politischen Krise. In unsicheren Zeiten zeigt sich, wie dünn die Firnis der Zivilisation sein kann. Ein Stück zur Zeit.
Aufführungsort:
Pasinger Fabrik, Kleine Bühne, August-Exter-Str. 1, Pasing, direkt am S-Bahnhof
Premiere:
Donnerstag, 17.11.2022 - 20.00 Uhr
Weitere Vorstellungen:
Freitag, 18.11./Samstag, 19.11.2022 – jeweils 20.00 Uhr
Sonntag 20.11.2022 – 18.00 Uhr
Donnerstag, 24.11. / Freitag, 25.11. / Samstag, 26.11.2022 -jeweils 20.00 Uhr
Sonntag 27.11.2022 – 18.00 Uhr
Eintrittspreise:
16. € / ermäßigt 12 € (bei Premieren und an Samstagen keine Ermäßigung)
Kartenvorbestellung:
Pasinger Fabrik
Tel.: 089 / 82 92 90 79
Fax: 089 / 82 92 90 89 / Di - So, 17.30 - 20.30 Uhr
München Ticket (zzgl. Vorverkaufsgebühr)
… diese heutige Zeit ist eine verkehrte Welt! Alles wackelt, nichts steht mehr fest.
~ Leopold der Zauberkönig
Mitwirkende
Ulrike Auras
Schauspiel
Daniel Buchin
Schauspiel
Eva Holzamer
Schauspiel
Michael Konle
Schauspiel
Daniel Kupp
Schauspiel
Hans Schlicht
Schauspiel & Spielfassung
Isabell Schlicht
Schauspiel & Musikalische Leitung
Antje Wabnitz
Schauspiel
Barbara Wankerl
Schauspiel
Cornelia Kühnel
Bühne & Licht
Anna-Verena Rapp
Kostüme & Choreografie
Christian Auras
Regie